Einführung: Hexenhüte in der Nacht
Es ist eine windige Nacht, die bunt gefärbten Blätter wehen umher und die Zweige der Bäume bewegen sich unheimlich im Wind. Heute ist der 31. Oktober- Halloween. Seit einigen Jahren schmücken immer mehr Menschen in deinem Ort ihre Häuser zu diesem Fest, mit ausgehöhlten Kürbissen, deren manchmal lustigen, manchmal auch schaurigen Fratzen, die Nacht erhellen. Obwohl es schon dunkel draussen ist, machst du noch einen Spaziergang, ziellos wanderst du umher, du weißt auch gar nicht so genau, wie lange du heute Nacht schon unterwegs bist, während du umher spazierst, schaust du dir die Kürbisse an, die vor den Häusern stehen. Manche Häuser haben auch noch andere Dekorationen, Hexenbesen aus Stroh und Reisig gebunden, Plastikspinnen die in künstlichen Netzen über den Hauseingängen hängen, buckelnde schwarze Katzen die aus Pappe ausgeschnitten sind. In den Vorgärten einiger Häuser stehen sogar Vogelscheuchen, die von den Bewohnern aus Lumpen zusammengebastelt wurden. Während du durch deinen Ort trottest hörst du aus manchen Häusern Musik und Gelächter- Halloween wird gefeiert.
Und dann siehst du eine Gruppe von Menschen auf dich zukommen. Sie tragen große spitze Hüte, schwarz wie die Nacht. Jeder von ihnen hat ein Licht bei sich, dass die Dunkelheit erhellt, in ihren Händen halten sie Laternen, Windlichter und einige auch kleine ausgehöhlte Kürbisse in denen Kerzen brennen. Ausserdem tragen Manche von ihnen Besen bei sich und merkwürdige Stäbe, die aussehen wie Heugabeln. Sie gehen nacheinander in einer Reihe, wie in einer Prozession. Einige der verkleideten Hexen sind schweigsam während sie durch die Nacht gehen, andere flüstern und tuscheln miteinander, andere sind fröhlich und lachen. Du machst der Prozession auf dem Bürgersteig platz und sie schreiten an dir vorbei, mit ihren Hexenhüten, Besen und Lichtern. Nachdem sie an dir vorübergezogen sind, kannst du nicht anders, als ihnen nachzusehen. Du bekommst eine Gänsehaut, denn ein kalter Hauch zieht an dir vorbei. Und irgendwas in deinem Inneren wird von dieser Gruppe angezogen, unbewusst gehst du ihnen nach, folgst ihnen und ihrer Prozession. Dabei hältst du Abstand, damit sie nicht bemerken, dass du sie verfolgst. Du fühlst dich merkwürdig, irgendwie beobachtet und hast auf deinem Weg immer wieder das Bedürfnis dich umzudrehen, so als würde auch dich jemand verfolgen, doch immer wenn du dich umschaust, ist hinter dir nichts als Dunkelheit und wehendes Herbstlaub, das in der Nacht raschelt.
Die Prozession der Hexen geht durch den Ort bis du langsam ahnst, wohin sie gehen wollen. Die Hexen gehen in Richtung des örtlichen Friedhofs. Dir wird etwas mulmig, was haben sie dort wohl vor? Doch obwohl dir etwas unheimlich ist, gehst du ihnen weiter nach. Sie erreichen die Friedhofsmauer, die Prozession hält vor dem gusseisernen Friedhofstor kurz inne und alle Hexen schauen zu dem Friedhof herüber. Dann setzen sie ihren Weg fort, an dem Friedhof vorbei, sie gehen an der Friedhofsmauer entlang in Richtung Ortsausgang. Und weiterhin folgst du ihnen und bist froh, dass sie nicht auf den Friedhof gegangen sind, wie du es erst vermutet hattest. Jetzt wo du den Ort verlassen hast, ist es fürchterlich dunkel und du hättest auch gerne ein Licht, doch du folgst den Lichtern der Hexen. Sie gehen einen Berg hinauf, es ist leicht nebelig, über den kahlen Feldern ziehen Nebelschwaden auf. Die Zweige der Bäume bewegen sich gespenstisch im Wind.
Die Prozession der Hexen hält wieder inne und aus der Reihe von Lichtern, bildet sich nun ein Kreis. Die Hexen stehen auf einer Wegkreuzung, jede hat ihr Licht vor sich auf die Erde gestellt. Du schleichst dich an sie heran, die Neugier zieht dich näher, du hoffst das sie dich nicht entdecken. Regungslos stehen die Hexen auf dem Kreuzweg, sie wirken schaurig durch den Schein ihrer Lichter, das Spiel aus Schatten und Licht lässt sie mit ihren spitzen Hüten wie böse Hexen aus einem Alptraum erscheinen. Die Stimme einer Frau durchbricht die Stille, sie schüttet etwas Milch auf den Erdboden. „Ihr Geister der Toten, ihr Ahnen, ihr Seelen nehmt dieses Opfer an.“ Hörst du sie sprechen, während sie die Milch auf den Boden gießt. Die anderen Hexen beginnen in einem Singsang zu sprechen. Der Nebel wird dichter, um die Wegkreuzung herum und um dich verändert sich etwas. Du fühlst dich anders, so als wärst du in einer Gruppe von Menschen. Und dann ganz plötzlich siehst du um dich herum überall schemenhafte Wesen stehen, Menschen aus jedem Alter. Sie umrunden und umringen die Lichter und die Hexen. Du bekommst Angst, wo kommen all diese Menschen her?
Zwei Hexen treten in die Mitte der Wegkreuzung, jede hält einen Besen in ihren händen. Sie kreuzen die Besen in der Mitte der Wegkreuzung. Und die ganze Hexengruppe beginnt wieder einen Singsang vor sich hin zu murmeln. Dieses Mal verstehst du einiges von dem, was sie sprechen. Göttin weise ihnen den Weg, dunkle Mutter führe sie über die Schwelle, führe sie dort hin, wo sie hingehören. Und dann siehst du ein Licht, in der Mitte der Wegkreuzung, dort wo die Hexenbesen sich kreuzen leuchtet es in der Dunkelheit. Die Menschen die um dich herum stehen und die Hexen umringen, gehen auf das Licht zu, verschwinden einfach. Nach und nach verschwinden immer mehr von ihnen bis nur noch vereinzelt welche in der Dunkelheit stehen. Die Hexen entfernen die Besen voneinander und das Licht verschwindet. Alle Hexen halten jetzt ihre Besen und Stäbe in die Höhe. Eine der Hexen beginnt zu sprechen:“ Im Namen der dunklen Mutter segnen wir auch all die Geister, die nicht die Schwelle überschritten haben, mögen sie ihren Weg finden. Gesegnet seien auch die Geister des Landes und die mächtigen Ahnen. So soll es sein!“
Die Hexen lassen ihre Besen wieder sinken, nehmen ihre Lichter vom Erdboden und gehen den Weg zurück, den sie genommen haben. Die wenigen Menschen die noch an der Wegkreuzung stehen, folgen ihnen, ohne Geräusche von sich zu geben, schweigsam, still. Sie gehen hinter den Hexen her, folgen ihren Lichtern. Und wieder bekommst du diesen merkwürdigen Drang, mit ihnen zu gehen. Also reihst du dich in die Gruppe ein gehst mit ihnen, den Weg den auch die Hexen gehen. Sie gehen wieder in den Ort zurück, die Lichter der Straßenlaternen sind hell und blenden dich. Eigentlich willst du den Weg zu deinem Haus einschlagen, doch du folgst weiterhin den Hexen. Einige der Menschen die dich begleiten, verlassen an den Wegkreuzungen an denen ihr vorbeikommt eure Gruppe, bis schließlich nur noch eine Handvoll Menschen hinter den Hexen hergehen.
Die Hexen gehen auf ein kleines Haus zu, es wirkt etwas ungepflegt, der Vorgarten ist übersäht mit Unkraut, das auch jetzt ende Oktober noch zu wuchern scheint. Die Hexen stellen ihre Lichter vor die Haustür. Greifen eine Schale die mit einer Flüssigkeit gefüllt ist und beträufeln sich gegenseitig mit dieser Flüssigkeit. Nach und nach gehen die Hexen in das Haus, die letzte von ihnen verschüttet die Flüssigkeit aus der Schale vor der Tür und schließt diese dann. Die anderen Menschen die dich begleiten, bleiben im Vorgarten des Hauses stehen und betrachten schweigsam die Lichter. Du gehst auf die Haustür zu, du willst klingeln und die verkleideten Hexen fragen, was sie dort gerade gemacht haben. Doch als du an die Tür kommst, wirst du abgestoßen. Du kannst nicht bis an die Tür gehen. So sehr du es auch versuchst, du kommst nicht weiter. Verstört schaust du auf die Menschen in den Vorgarten, die dich nun beobachten.
Eine von ihnen geht auf dich zu. Eine ältere Dame mit grauen Haaren. Sie lächelt dich an. „Du kannst ihnen nicht in das Haus folgen. Aber wenn du hier warten willst, dann bringen die Hexen uns Opfergaben an die Haustür. Wir können uns an ihnen nähren und dann gehen wir wieder unseren Weg, jeder von uns für sich.“ Fragend und zweifelnd siehst du sie an, sie begreift, dass du nicht verstehst, was sie meinst. Wieder lächelt sie dich an, ein Lächeln das eine Großmutter ihren Enkeln schenkt, wenn sie ihnen etwas eklären will, das schwer zu verstehen ist. „Du scheinst noch nicht lange tot zu sein mein Freund, oder?“ Entsetzt gehst du ein Stück zurück und siehst an der alten Frau vorbei auf die anderen Menschen im Vorgarten. Sie schauen dich grinsend und belustigt an. Erst jetzt fällt dir auf, dass einige von ihnen altmodische Kleidung tragen, manche sogar zerrissene Lumpen, wie sie schon lange keine Menschen mehr tragen müssen. Die alte Dame tritt an dich heran und schaut dir besorgt ins Gesicht. „Du hättest in das Licht gehen sollen, mein Freund. Doch wie wir alle wirst du deine Gründe haben, hier zu bleiben!“
Schlagartig wird dir klar, dass du vor einem wirklichen Hexenhaus stehst, das du wirklichen Hexen durch die Nacht gefolgt bist und das DU ein wirklicher Geist bist und das um dich herum verteilt im Vorgarten des Hexenhauses ebenfalls wirkliche Geister stehen.
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