Womit wir zum nächsten Mythos kommen:
Der Teufel spielte und spielt in der Hexerei keine Rolle.
– Auch dieser Mythos ist Fiktion.
Auch wenn moderne Hexen sich gerne vom Teufel distanzieren, ist diese Behauptung nicht
ganz richtig. Die Aussage der christlich-jüdische Satan hat in der Hexenkunst keine Rolle, ist treffender.
Der Teufel wird erst ab der Renaissance mit Hexerei in Verbindung gebracht.
Vorher wurde Hexerei mit der nächtlichen Göttin verbunden, die über die Toten und die Geister herrscht, die Zaubereien lehrt und in deren Namen die Hexen segnen und verfluchen. Von der antiken Hekate- bishin zur mittelalterlichen Holda hat sich an diesem Bild nur wenig verändert.
Erst ab der Renaissance verblasst diese Göttin und der Teufel tritt im allgemeinen
Volksglauben an ihre Stelle und wird zum Meister über die Hexen.
Doch schon seit dem frühen Christentum werden die heidnischen Götter als böse Dämonen abgestempelt und verteufelt.
Im christlichen Weltbild wird der Teufel mit Satan identifiziert- dem Gegenspieler des christlich-jüdischen Gottes. Doch wird dieser in der Bibel niemals als gehörnt oder bocksfüßig beschrieben. In dem mittelalterlichen Bild des Teufels spiegelt sich viel von vorchristlicher Spiritualität wieder. Der gehörnte Teufel des Mittelalters verkörpert Sexualität, Lebensfreude, Fruchtbarkeit, animalische Triebe- alles was die prüde Kirche im wahrsten Sinne des Wortes verteufelt hat. In seinem Bild ähnelt der Teufel stark dem griechischen Pan und Dionysos den ekstatischen Göttern die mit den Hörnern eines Ziegenbocks(Pan) und Stiers (Dionysos) dargestellt wurden . Nicht nur in seinem Erscheinungsbild- mit Widder- oder Stierhörnern, Bocksfüßen, Nacktheit sondern auch mit dem Wesen dieser Gottheiten hat er einiges gemeinsam.
In der Renaissance erscheint der Teufel den Hexen als eine Art Erlöser, der sie über das Leiden des Alltags erhebt und ihnen Freuden und Ekstasen schenkt- ähnlich den Mänaden der Antike.
Ich kann mir gut vorstellen, dass Hexen (die meist ungebildet waren) der Renaissance davon überzeugt waren, jenes Wesen das ihnen in ihren Ekstasen erschien und ihre Gebete erhörte- der Teufel war,
auch wenn es ursprünglich ein heidnischer Gott war.
In der modernen Hexerei wird der gehörnte Gott zwar verehrt- aber statt den Ziegen- und Widderköpfigen oder von Stierhörnern Gekrönten, stellen sie ihn mit dem Geweih eines Hirsches dar. Wahrscheinlich um sich von den teuflischen Assoziationen abzugrenzen,
die entstehen könnten, wenn sie ihn mit den Ziegenhörnern darstellen würden, sie betonen ja immer wieder, dass sie nicht den Teufel anbeten.
Schon die Bezeichnung der Gehörnte passt nicht zu dem modernen Bild, da Hirsche Geweihe tragen und keine Hörner.
Der geweihtragende Gott ist zwar auch eine alte heidnische Gottheit, aber gehört einem ganz anderen Weltbild an als der Gehörnte der Hexerei, im ursprünglichen Sinne.
Vor allem im mittelalterlichen England wurde der geweihtragende Gott im Volksglauben
verehrt und auch gefürchtet. Als nächtlicher Herr über die wilde Jagd, Herne der Jäger,
der seine Wurzeln wahrscheinlich in dem keltischen Cernunnos hat.
Diese Gestalt des Volksglaubens wurde zwar auch mit dem Teufel gleichgesetzt,
aber seine Darstellungsweise und seine Wesenszüge im Volksglauben unterscheiden
sich stark von dem klassischen gehörnten Teufel.
Der Gehörnte verkörpert all das, was der Teufel der Renaissance verkörperte (diese Gestalt ist aber nicht identisch mit dem Satan der Bibel, oder gar ein böser „Dämon“).
Er ist der Herr über die Lebensfreude, die Ekstase, den Rausch, Sexualität, ein Gestaltswandler und auch ein Trickser. Herrscher über alles was frei und wild ist.
In vielen Erscheinungsformen der traditionellen Hexerei wird er als Herr des Sabbats
verehrt und Hexen stellen ihn auf die ursprüngliche Weise dar.
Der geweihtragende Gott wird von den modernen Wicca beeinflussten Hexen stark verehrt, auch wenn diese ihn als den gehörnten Bezeichnen und wenig zwischen den beiden Gestalten unterscheiden. Bei den meisten modernen Hexen werden seine Geweihe mit dem Sonnenlicht in Verbindung gebracht. Auch in der traditionellen Hexerei wird der geweihte nächtliche Jäger verehrt- und mit Hexerei verbunden. Vor allem in England. Aber seine Darstellung dort ist „düsterer“ und irdischer als in der Wicca-Hexerei.