Ich rufe dich an,
alter Herrscher,
aus längst vergangenen
Zeiten,
Jäger, Gejagter,
Grund zum Jagen,
Herr der Wildnis,
Herr des Waldes,
aus den Tiefen
deiner Reiche,
komm zu mir,
ich stehe in den
Resten des
alten Waldes,
der einst
alles bedeckte
und heute
fast nur noch
Erinnerung ist.
Deine Namen sind längst
vergessen, verschwunden
wie deine Wälder,
doch du verweilst.
Wir erinnern uns,
geweihtragender
Gott,
schwarzer Hirsch,
umgeben von
ausgeblichenen Knochen,
unergründlich,
unbezwinglich,
ursprünglich,
Nimm mein Opfer an.
Im modernen Heidentum, Wicca und der modernen Hexerei wird zwischen dem gehörnten Gott und dem geweihtragenden Gott nur wenig unterschieden. Der geweihtragende Gott ist für viele nur eine andere Erscheinung des Gehörnten. Und oft wird im modernen Heidentum der Gott als der Gehörnte bezeichnet und mit dem Geweih eines Hirsches dargestellt.
In der traditionellen Hexenkunst werden der Gehörnte und der geweihtragende Gott zwar unterschieden, aber doch scheinen sie miteinander verbunden zu sein. Der geweihtragende Gott wird vor allem in England verehrt, von den traditionellen Hexen. Und dort ist er auch neben dem gehörnten Teufel mit den Hexen verbunden.
Für mich sind der gehörnte Gott und der geweihtragende Gott zwei sehr unterschiedliche Wesen. Beide Gottheiten sind mit der Natur verbunden, mit der Wildnis und der Tierwelt und beide haben auch einen Bezug zur Magie- doch in unterschiedlichen Arten. Während der gehörnte Gott auch mit der domestizierten Natur verbunden ist- mit den Feldern, den Nutztieren und den Angelegenheiten der Menschen, ist der geweihtragende Gott hier nicht anzutreffen. Der Gehörnte ist ein Grenzgänger, zwischen den Ebenen, am leichtesten ist es ihn an den Grenzen zu begegnen. Der geweihtragende Gott gehört nicht in die zivilisierte Welt der Menschen. Sein Reich ist das Herz des Waldes, die Tiefe der Wildnis. Und dort begegnet man ihm- in den Resten der Wildnis. Der geweihtragende Gott ist sehr ursprünglich, der Herr der Jagd und der Sammler. Einst sicherte sein Segen das Überleben der Stämme, er schenkte ihnen Jagdbeute, lehrte den Jagdzauber, das Wissen um die Geheimnisse der Wildnis. Doch als die Menschen sesshaft wurden, Siedlungen gründeten, Ackerbau und Tierzucht betrieben, war er nicht mehr wichtig für das Überleben. Die Jagd war nicht mehr die Lebensgrundlage.
Einst bedeckten riesige Waldflächen ganz Europa, die Siedlungen waren nur kleine Lichtungen im Wald. Heute ist es eher andersherum, die Wildnis verschwindet, die Wälder sind gezähmt. Doch die Reste der heutigen Wälder können ein Tor in das Reich des geweihtragenden Gottes sein.
Wenn ich mich mit ihm verbinde, fühlt er sich anders an, als der Gehörnte. Sie sind zwar ähnlich, aber doch wieder ganz anders. Die Ekstase des Gehörnten ist pure Freude, die Ekstase des geweihtragenden Gottes ist dunkler, ursprünglicher. Der Kampf um das Überleben, die Jagd, die Flucht, Angriff, Verteidigung. Beide Gottheiten sind mit den Geistern verbunden, den Geistern der Natur und des Landes. Doch wieder fühle ich dabei Unterschiede. Der Gehörnte ist neben den Naturgeistern auch mit den Geistern von uns Menschen verbunden, der geweihtragende Gott ist mit älteren Geistern verbunden. Wesen die vor sich hin schlummern, ursprüngliche Wesen, sie ruhen, gehören nicht mehr ganz in diese Welt. Er ist auch mit Ahnen von uns verbunden, doch diese fühlen sich weit entfernt an. Anders als unsere eigentlichen Ahnen, vielleicht unsere ersten Ahnen, Ahnen anderer Menschengeschlechter? Sie sind uns ähnlich aber uns nicht gleich. Die Magie mit der der geweihtragende Gott verbunden ist, ist ursprünglicher, wilder, ungezähmter- Magie zum Wohle des Stammes, Magie um das Überleben zu sichern, Jagdzauber. Der Gehörnte ist eher mit der heutigen Magie verbunden, Magie um Dinge zu verändern, in andere Richtungen zu lenken. Und auch Magie für eigene Ziele, um das eigene Leben zu verbessern. Ich bringe den geweihtragenden Gott mit der Farbe weiß in Verbindung- weiße längst verblichene Knochen, Schnee und Eis.
Bei einigen meiner Rituale war er anwesend- ohne direkt gerufen worden zu sein. Meist geschah dies bei Ritualen im Wald, bei einem besonderen Baum. Er war anwesend im Kreis, aber eher im Hintergrund. Nach einem dieser Rituale habe ich einen Schädel eines Rehbocks gefunden. Er ist für mich zu einem Symbol für ihn geworden. Ich habe diesen in meinem Herdschrein, der Schädel stellt für mich eine Verbindung zu der ursprünglichen Wildnis her, zu dem Reich des geweihtragenden Gottes. Ich rufe ihn bei meinen Riten nicht direkt an, nur wenn ich der Hexenkönigin, dem Gehörnten und meinen Geistern Opfergaben bringe, dann bekommt er auch ab und an einen Anteil besonders zu Schwarzmond.
Symbole: Geweihe und Schädel von geweihtragenden Tieren, Schlangen, Knochen, ungezähmte Natur. Der gegabelte Stab, Pfeil und Bogen, Lagerfeuer. Der Hexenstern (wie ein Eiskristall).
Tiere: Hirsch, Elch, Rentier, Rehböcke, Wildschweine, Wölfe, Bären, Wildtiere.
Räucherwerk: Tanne, Fichte, Lärche, Waldlaub
Opfergaben: dunkles Bier, Fleisch, Blut, Speiseopfer
Er kann uns helfen Kontakt zu unserer wilden Seite zu erlangen, Kontakt zur Wildnis, zu alten Geistern der Natur, Feen/Elfen (als Totengeister die eine Verbindung zum Land eingegangen sind). Er kann uns Schutz geben und Kraft.
Der Geweihtragende ist mir einmal an einem sehr sehr alten Ort begegnet, an einem Nachmitteg , als ich mit der Familie im Urlaub in Irland war. Ich habe ihn so wie Du empfunden. Ich bin sehr froh, dass ich heute lebe und nicht vor dreitausend Jahren, aber er ist so außerhalb der Zeit und ein so essentieller Teil von uns, dass es mich fast dauert, dass ich mit ihm in meinem zivilisierten Alltag kaum in Kontakt komme, obwohl er ein so wichtiger Teil der Welt ist.